Donnerstag, Juli 06, 2006

Schweine müssen nackt sein - von Napoleon Seyfrath


Von der Provinz in die große Stadt. Die schwule Hauptfigur des Romans durchlebt in verschiedenen Regionen Deutschlands (Mannheim, Ludwigshafen, Frankfurt, Berlin...) eine zuweilen sehr stürmische Entwicklung. Schon früh verläßt er seine "provinzielle Heimat" im Pfälzischen (Bad D.), um anderswo die Geschichten zu erleben, von denen er bisher höchstens nur gelesen hatte. Und er erlebt sie. Dieses Buch beschreibt sehr eindrucksvoll das sich ständig ändernde Lebensgefühl der späten 70er und der 80er bis in die 90er Jahre und spart dabei nicht an Witz und Ironie. Vor allem eine gewisse Detaillliebe des Autors macht den Roman so liebens- und lesenswert. Dabei steuert das Geschehen auf einen tragischen Schluß, der aber seltsamerweise nicht unbedingt traurig stimmt.

Die "Zitty" sagte dazu: Ein praller, böse hingeworfener autobiographischer Roman eines schwulen Aidsinfizierten."Ein Geheimtip"

Hans Seyfarth, geb. 1953
Napoleon Seyfarth war eine Sau. Eine schwule Sau. Das hat er selbst gesagt. Der in Oggersheim geborene Mann, der eigentlich Hans hieß, starb am zweiten Dezember in seinem "Schloss Neuschweinstein" in der Motzstraße, Schöneberg. "Schweine", hat der Autor in einem Interview gesagt, "sind ein Symbol der Wollust. Außerdem sind sie auch schwul." Napoleon Seyfarth trug meistens eine rosa Plüschsau in Lederkluft mit sich herum. Und seine Autobiografie trägt den Titel: "Schweine müssen nackt sein". Jeder Satz, jede Geste des schwulen Schriftstellers enthielt mindestens eine sexuelle Andeutung - Seyfarth, die Provokation auf zwei Beinen in engen, weißen "Napoleon"-Hosen. Er wusste, dass sein Leben früh zu Ende sein würde. 1988 bescheinigte man ihm ein positives AIDS-Testergebnis, 1998 brach die Krankheit aus. So schillernd-schräg wie sein Leben inszenierte Napoleon Seyfarth auch sein Sterben - letztes Jahr kauften er und sein Lebensgefährte sich ein gemeinsames, historisches Grab auf dem St. Matthäus Friedhof in der Großgörschenstraße. "Den Gedanken, als katholischer Oggersheimer und jüdischer Düsseldorfer für ewig vereint in einem phallesk-pittoresken Grab auf einem prostestantischen Friedhof mitten im heidnischen Berlin zu liegen, fanden die beiden Dichter todschick", schrieb Seyfarth in einem Nachruf auf sich selbst.
Nach seinem Tod erhielten enge Freunde ein gelbes Postpaket mit dem Nachlass des ehemaligen Postbeamten. Darin befindet sich ein dicker Aktenordner mit ordentlich abgehefteten Lebensläufen, Bibliografien, Fotos, wissenschaftlichen Abhandlungen - und ein ebenso dickes Plastik-Schwein in Straps-Gurten.
Den Tod stellte sich Napoleon Seyfarth, der 1989 in Berlin eine Lesbe heiratete, als Orgasmus vor, als letzte große Penetration. Er sei ein Ausgehsüchtiger gewesen, bis zuletzt draußen im Leben und eigentlich viel zu lebendig, um zu sterben.

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